Selbstheilung ist ein alltäglicher Vorgang
Dass Verletzungen oder Erkrankungen ohne äußere Hilfe heilen können, ist jedem bekannt. Unser Immunsystem sorgt in der Regel dafür, dass schädliche Viren, Bakterien oder Pilze bekämpft werden, und kleinere Verletzungen wie Prellungen oder Schürfwunden heilen in der Regel auch ohne medizinische Maßnahmen folgenlos ab.
Oft reicht es aus, einen betroffenen Körperteil zu schonen, um die Selbstheilungsmechanismen des Körpers ihre Arbeit tun zu lassen.
Ärztliches Eingreifen ist nur dann erforderlich, wenn unsere „eingebauten“ Selbstheilungsmechanismen nicht von allein mit der Verletzung oder Erkrankung fertig werden.
In der Psyche sieht es ähnlich aus. Unter normalen Umständen gelingt es uns meist, unsere seelische Stabilität auch in Stressphasen zu bewahren.
Schwere psychische Belastungen – etwa wenn man Opfer eines Gewaltverbrechens wird oder lange Zeit unter sehr belastenden Lebenssituationen leidet – können diese Selbstheilungstendenz allerdings überfordern und therapeutische Hilfe nötig machen.
Offensichtlich gibt es große Unterschiede in der individuellen Fähigkeit, Verletzungen, Behinderungen oder belastende Lebenssituationen zu bewältigen. Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf solche Einbrüche in ihr Leben, die oft große Veränderungen mit sich bringen. Einige werden besser damit fertig als andere. Woran liegt das?
Was die Selbstheilung fördert
Bei seiner Arbeit mit Frauen, die in Konzentrationslagern körperlicher Folter und psychischem Terror ausgesetzt waren, beobachtete der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky gravierende Unterschiede in der Fähigkeit, Verletzungen zu bewältigen.
Während die meisten Frauen immer noch unter den Folgen der brutalen Haft litten, war ein kleinerer, aber nicht unerheblicher Anteil Jahrzehnte nach der Inhaftierung wieder bei bester Gesundheit. Antonovsky ging der Frage nach, was diese Frauen von den anderen unterschied, und begründete damit das Konzept der Salutogenese (lat. salus – Gesundheit, griech. genesis – Entstehung). Einen ausführlichen Artikel und Literaturhinweise zur Salutogenese finden Sie hier.
Antonovsky stellte fest, dass seelische und soziale Faktoren erhebliche Einflüsse auf Heilungsprozesse haben können. Sie können die Selbstheilungsmechanismen von Körper und Seele messbar fördern oder beeinträchtigen.
Diese Feststellung gehört zu den wichtigsten Grundlagen der ganzheitlichen Medizin, die sich nicht nur mit der körperlichen Seite von Krankheiten befasst, sondern auch psychologische und gesellschaftliche Aspekte des Menschen in die Behandlung miteinbezieht.
Erkenntnisse jüngerer Forschungszweige wie der Psycho-Neuroimmunologie bestätigen Antonovskys Erkenntnisse, indem sie nachweisen, wie Gedanken und Gefühle das Immunsystem beinflussen können.
Unsere Gefühle und Überzeugungen, unsere Zukunftsperspektiven, unser Freundeskreis und unsere Familie, unser Eingebundensein in die Gesellschaft und unser Glaube daran, dass unser Handeln einen Einfluss auf die Entwicklung unserer Erkrankung hat, sind Faktoren, die Heilungsprozesse hemmen oder fördern können.
Vereinfacht könnte man sagen: Wer …
- optimistisch in die Zukunft blickt,
- bereit ist, an seiner Heilung mitzuarbeiten,
- über stabile Familienbeziehungen und einen emotional stärkenden Freundeskreis verfügt,
- ein ausgewogenes Verhältnis von Anstrengung und Entspannung pflegt,
- sich grundsätzlich in der Gesellschaft gut aufgehoben fühlt,
- an seine eigene Fähigkeit, die Zukunft zu gestalten, glaubt,
… hat bessere Chancen, sich von einer Verletzung, einer Krankheit oder psychischen Belastungen zu erholen, als jemand, der nicht über diese Widerstandsressourcen verfügt.
Phantasiereisen und Selbstheilung
Stress und Entspannung schließen sich gegenseitig aus. Beide Zustände haben eines gemeinsam: Sie finden nicht nur in der Psyche, sondern auch im Körper statt.
Die Fähigkeit zur Selbstheilung leidet unter Dauerstress erheblich. Körperliche und seelische Erschöpfung kann die Fähigkeit zum Entspannen erheblich beeinträchtigen. Dabei brauchen Körper und Seele Entspannungsphasen, um sich zu erholen und ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Je nachdem, ob wir entspannt sind oder sogar Freude und Genuss empfinden oder ob wir angespannt und gestresst sind, werden im Gehirn unterschiedliche Stoffe freigesetzt. Diese Stoffe – sogenannte Neurotransmitter (Botenstoffe des Gehirns) und Hormone – beeinflussen unsere Nerven- und Organtätigkeit und unser Immunsystem.
Wohlbefinden beginnt daher im Kopf. Sogar chronische körperliche Schmerzen lassen sich durch Entspannungsübungen oft spürbar reduzieren, denn sie bewirken Veränderungen des chemischen Milieus im Gehirn, die die Schmerzverarbeitung beeinflussen.
Angenehme Vorstellungsbilder – der Anblick einer schönen Landschaft, der Duft von Blumen oder Sonnenstrahlen auf der Haut – aktivieren unsere Erinnerungen und die mit ihnen verknüpften Gefühle. Das Gehirn macht dabei nur einen geringfügigen Unterschied zwischen einem „tatsächlich“ erlebten Vorgang und einer emotional aufgeladenen Erinnerung.
Die innere Erfahrung wird fast genauso verarbeitet wie eine äußere Erfahrung und bewirkt das gleiche Glücksgefühl. Dabei lassen sich sogar körperliche Veränderungen messen, zum Beispiel eine Veränderung der Atemfrequenz und -tiefe oder des Herzschlags, eine veränderte Hautdurchblutung und Veränderungen in den Hirnwellenmustern.
Über diese angenehmen Vorstellungsbilder hinaus setzen Phantasiereisen noch andere Techniken ein, die die Selbstheilungskräfte unterstützen können, zum Beispiel Suggestionen, die Zuversicht, Optimismus und ein positives Selbstbild fördern und damit die Voraussetzungen für Selbstheilungsprozesse verbessern helfen.
Optimismus und eine positive Einstellung zu sich selbst und der Welt bringen das Immunsystem in Schwung und können dazu beitragen, die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten zu reduzieren.
Die regelmäßige Anwendung von Phantasiereisen fördert die Fähigkeit zur Entspannung, eine Grundvoraussetzung für Erholung und Selbstheilung.
Man braucht also nicht erst nach Methoden der „Wunderheilung“ Ausschau zu halten, wenn man selbst seine geistigen Kräfte einsetzen will, um etwas für seine Genesung und sein Wohlbefinden zu tun.
Man braucht sich nur diese Erkenntnisse zunutze machen – bei Phantasiereisen eine ausgesprochen angenehme Erfahrung. Auf eine vernünftige, ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung oder notwendige Arztbesuche sollte man deshalb trotzdem nicht verzichten.